Zu vier Doppelseiten in Clamps X

Ich habe mir vorgestern den den ersten Band vom Manga "X" von Clamp besorgt, aus zweiter Hand. Viele gute Mangas kriegen wohl nicht so oft neue Auflagen, wie dagegen die amerikanischen Comics sie haben. Man findet viel mehr haufenweise Schuhlmelodrama die erst neu erscheinen aber schon seit Jahrzehnten das gleiche erzählen, und kriegt den Eindruck, dass soll eigentlich alles sein, was der Manga zu bieten hat, wehrend nebenan Monster wie Allan Moore und Neil Gaiman stehen. Ist natürlich Quatsch.

Das Manga blätter ich erst oberflächlich durch, so ganz nebenbei, und versuche erst mal schnell durch die Story zu wandern. Plötzlich sehe ich, dass ein einziges Panel eine ganze Doppelseite übernimmt. Papierverschwengung, denk ich erst, und blättere weiter. Ist dass überhaupt noch ein Panel wenn es von nichts abgegrenzt wird? Ich blättere nochmal zurück und sehe jetzt, dass es doch eigentlich im rahmenlosen Bild mindestens zwei Perspektiven gibt, denn sowohl Kotori wie auch Kamui schauen mich als Betrachter an, doch intradiegetisch schauen sie sich eigentlich gegenseitig an. Und zwischen und über die beiden sind die Kirschblüten geflechtet, die Tatsächlich im dreidimensionalen Raum von beiden Perspektiven sichtbar wären, doch auch raumlos als ein ornatives Element funktionieren, dass die Frühlingsstimmung des Moments symbolisiert. Dazu schwebt auch noch eine Sprechblase irgendwo rum, die ein viertes Niveau und eine Dimension der Zeitlichkeit addiert. Ja, ist das noch ein Panel?

Von da aus blättere ich den Rest des Mangas zurück und merke, dass man auf keiner einzigen Seit ein Layout finden könnte, dass irgendwie linear oder simpel wirken könnte. Überall überlappen sich die Bilder und Perspektiven, die Rahmen sind nur ein genereller Wegweiser, damit der Leser nicht ganz verloren geht, doch sie sind immer halb verwischt oder komplett schief, und in jedem Rahmen können auch mehrere verschiedene Sachen gezeigt werden.

Aber wozu jetzt Doppelseiten? Etwas weiter in der Geschichte taucht die Prinzessin Hinata auf, die von ihrer Meditation aufwacht und von Kamui redet. Die Panels hier sind eigentlich kränklich klein. Ich muss ziemlich genau hinschauen und mental rekonstruieren, um richtig zu verstehen, was los ist. Vielleicht ein Bisschen wie dass, was Jens Nielsen damit meinte, dass sich im Manga der "fruchtbare Augenblick" verzieht. Am Ende der Seite kriegt die Prinzessin noch eine Vision, und dann wird der letzte Panel noch etwas größer. Auf der nächsten Doppelseite aber, haben wir wieder ein Panel, das sich ganz groß ausstreckt. Darauf sehen wir das etwas verdunkelte Gesicht der Prinzessin. Dazwischen aber erscheinen kleinere, längliche doch abgegrenzte Panels mit Visionen die keinen räumlichen Bezug zur Szene haben, sondern uns gerade aus dem Raum heraustragen. Noch ist die Prinzessin das größte, gegenwärtigste Bild, an dem wir uns festhalten können, und der Rest ist ihrer subjektiven Perspektive untergeordnet.

Die nächste Doppelseite besteht aber auch nur aus einem einzigen, riesigen Bild. Diesmal können wir nicht genau von verschiedenen Perspektiven reden, sondern eher denken, dass die Figuren es intradiegetisch auch genauso wahrnehmen. Trotzdem ist das Bild komplexer als jedes vorige, denn außer Hinata, die mit ihren überlangen Haaren die untere Hälfte des Bildes einnimmt, schwebt hinter Wolken eine Vision, die umgekehrt steht. Darin sehen wir eine halb zerstörte Stadt zwischen dessen Trümmern, etwas klein, in Kapuzen gehüllten Menschen zu sehen sind.

Wie stark dies doch zu der vorletzten Seite kontrastiert, von der diegetisch kaum Abstand herrscht. Von der kleinen, eingeschränkten Perspektive der Realität, in der die menschliche Wahrnehmung sowohl zeitlich als auch räumlich eingeschränkt ist, tauchen wir, progressiv, in die mystische Traumvision, in der sowohl Zeit als auch Raum sich in ein einziges, riesiges, umhüllendes Bewusstsein auflösen. Da Raum und Zeit sich in der Sequenziellen Kunst auf der gleichen Dimension entfalten, macht uns dieses wie viele andere Beispiele bewusst, auf wie vielen Ebenen doch diese zwei Elemente eigentlich zusammenhängen. In einem Fall wie X ist das kosmische apokalyptische Thema nur durch immer größere und kontrastierende Proportionen darzustellen. Natürlich, unbedingt Doppelseiten!

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