Einige meiner Eindrücke von Tanja Meurers "Maschinenseele"

Ich hatte die Autorin auf einer Messe getroffen, ihre multitalentierte Kombination aus Zeichnung und Erzählung zeichnete eine stimmige, düster-romantische Steampunk-Welt. Doch erst im Nachhinein verstand ich, wie lange sie schon im Genre unterwegs ist. Mit mehrfachen Romanen und Erzählungen ist Annabelle Talleyrand schon eine etablierte Serienheldin, und darüber hinaus bestehen noch mehrere andere Titel sowohl im Genre Steampunk als auch abseits von diesem.

Von den ersten Seiten an ist das Buch packend und gut geschrieben. Das semi-historische Setting ist voller epochengerechten Details, von Technik bis Kleidung und sozialen Strukturen, die es sensorisch nahebringen. Talleyrands London ist besonders düster, sowohl im historischen Elend der Slums und zügellosen Frauenmorden, als auch im fantastischen Spuk von Wintergeistern und mechanischen Körpern.

Ich muss zugeben, ich musste das Buch nach dem dritten Kapitel einige Zeit zur Seite legen. Die Beschreibung der konfliktiven Beziehung zwischen Anabelle und ihrem Körper aus Metall und Kautschuk, der mehrfach zerlegt und ausgetauscht wird und ihr stets fremd bleibt, kam mir einfach zu nahe. Ihre Seele wandert zwischen unterschiedlichen, zum Teil beschädigten Körpern, und stirbt dabei jedes mal einen kleinen Tod, verliert etwas mehr von ihrer Essenz. Nachdem ich es rationalisiert hatte blieb mir doch der Eindruck, dass dies wahrscheinlich ein blinder Fleck in meiner eigenen Novelle ist und ich mich nicht getraut habe, Körperdysphorie so graphisch darzustellen. Doch mein Schwerpunkt ist einfach ein anderer...

Kälte und Wärme spielen im Weiteren dieser Geschichte eine zentrale Rolle, um die Beziehung zwischen Körper, Gefühl und Leben wiederherzustellen. In dem Zusammenhang war es etwas überraschend, dass Annabelles Körper doch noch zu detaillierten Empfindungen und sogar zum Geschlechtsverkehr fähig ist, doch die Vorstellungen zu den Auswirkungen eines technomagischen Automaten sind eigentlich Spezifika eines jeweiligen Worldbuildings und daher aus meiner Position nur subjektiv.

Meurer gelingt das zu konstruieren, was Mendlesohn unter dem Namen "immersive fantasy" als eine der anspruchsvolleren Modalitäten des Genres beschreibt. Eine semi-historische Welt ist weiterhin, im großen und ganzen, eine Fantasy-Welt, denn die Lesenden können nicht im voraus erraten, wie viel von der historischen Realität in der fiktiven Welt tatsächlich der Fall ist. Stattdessen wird die Welt dadurch konstruiert, dass in ihr ermittelt wird. Die Figuren kennen sich in der Welt aus, doch indem sie neue Erkenntnisse schaffen, bringen sie den Rezipienten erst die Realität der Fantasy-Welt nahe.

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