Europäisches Literaturfestival Köln Kalk, ELK² - Poetry found in translation

Jetzt wo ich erst ankomme, fällt es mir nicht einfach, Kalk schönzureden. Ich steige an der Kapelle aus und lange Straßen voller Menschen und Chaos strecken sich vor mir aus, alles kommt dazwischen, kreuzt sich, blickt sich angespannt aus dem Augenwinkel zurück, und natürlich muss ich zwei mal schauen, dass ich mein Handy noch dabei habe, bevor ich zwischen Gebäude falle, die mitten im Abriss hängen geblieben sind.

Doch auch hier, nicht nur im Ruhrgebiet, haben Konkret und die alte Industrie ihre Blumen. Vor der alten Fabrik die jetzt als Halle Kalk bezeichnet wird, sitzen gut verteilt diverse Menschen, die entspannt verweilen, Bücher Teilen und Musik hören. Nach den Regentagen hat auch die Sonne entschlossen, das Miteinander unter offenem Himmel mitzumachen.

Auf der Bühne sehen wir jeweils zwei Personen: Autor*in und Übersetzer*in sprechen nebeneinander, treten in Dialog. Es erklingen Hebräisch, Griechisch, Spanisch, Serbisch, Arabisch und viel mehr, von dem ich einige Kognate Bruchstücke zu verstehen glaube. Ich lasse mich einfach auf die Musik der Poesie, seiner Wanderung zwischen den Zungen ein. Und dann, wie die helle Positiv-Entwicklung eines Bildes, kommt die Übersetzung dazu. Es wäre aber falsch, diese als "Auflösung" zu nehmen, sie ist auch nur ein Abbild, eine Spiegelung, die mit dem ursprünglichen Klang in meinem Geiste zusammenfindet, wo ich versuche, ein Gefühl des Gedichts nachzuträumen.

So geht es weiter, bis in die Nacht und über das ganze Wochenende. Viele Texte reden von der Suche nach Freiheit, die sie auf Wanderung schickt - aber nein, das klingt fast nach Wanderlust, und wir reden hier von grundsätzlichen, menschlichen Freiheiten, von existenziellen Rechten, die nicht überall auf derselben weise garantiert sind. Man muss die Heimat hinter sich lassen, um ein würdiges Leben führen zu können, manchmal sogar, um überhaupt zu überleben.

Andere sind dagegen in einem ewigen Ankommen begriffen, in dem ständigen Dasein und Fremdsein. Es ist nicht nur, dass sie schon andere Welten erlebt haben, bevor sie in der jetzigen ankommen, auch ihren Alltag müssen sie stets bewusst und analytisch angehen, um durch ihn zu kommen. So  entstehen Fragen, die sich das gegenwärtige System selber nicht zu stellen traut, doch die es zutiefst bewegen und angehen.

Die Bewegung geht manchmal hin und her und im Kreis. Ich weiß nicht mehr, wer wer ist, an welchem Ort und zu welcher Zeit, und was fremd und was eigen ist. Doch irgendwie ist dieses Gefühl, sich selbst zutiefst fremd zu sein, gerade das einzig wirklich Eigene in mir. Es wird wohl wieder an die Zeit, die Sprachen ineinanderfließen zu lassen, sie gegenseitig zu kontaminieren, bis sie neue und ungesehene Farben ergeben.

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