The Fragment Show

"The Fragment Show" entstand aus der fundamentalen Unmöglichkeit, ein Gedicht abzuschließen. Die Grenzen des Poetischen überhaupt sind fließend, und sollten es auch sein. Gedichte sind Momente der Realisierung, die jedoch keine Gesamtheit darstellen. Sie sind immer Teil größerer Weltbilder, und immer Teil eines größeren Gedichts, das sich von selbst immer weiter schreibt.
Ähnlich ist der Begriff der Performance zu verstehen. Ich halte etwas für performativ, wenn es eine Aufführung sich nicht als "Stück" eingrenzen lässt. Dazu ist die wichtigste Voraussetzung, dass die Aktion Wurzeln und Konsequenzen jenseits ihrer eigenen Gestik, ihrer eigenen Fiktion hat.
Es sind schon einige Jahre, dass ich hin und wieder ohne einen fertigen Text bei einer Lesung ankomme und einfach Schnipsel aus einer Tüte fische, teils handgeschrieben, teils ausgeschnittene oder mit Klebeband zusammengesetzte Papiere in einem Fluss zusammenfüge.

Die Ausstellung von Carsten Nicolai kam dann als zusätzlicher Impuls. Die mathematisch-geometrischen Formen, mit denen man hier konfrontiert wird, sind eine Erfahrung, die uns als Menschen körperlich und geistig interpelliert. Es liegt auf der Hand, direkt vor uns, dass diese konsequent recherchiert und systematisch aufgestellten Formen viel weiter gehen, als man in einem Moment wahrnehmen kann. Die Grenze zwischen dem einzelnen, reinen Ton und dem unerträglichen Krach ist subjektiv schwer zu beurteilen, auch wenn sie hier objektiv vorliegt. Ist es unsere Subjektivität, unsere sogenannte Urteilskraft, die uns eigentlich von der Realität trennt, weil sie nie ALLES aufgreifen kann? Oder ist es einfach unsere organische Variabilität, die Randomisierung, welche das Leben als Grundstrategie entwickelt und doch gegenüber der geometrischen Konsequenz des Rests der Materie verfremden?

Die Maschine ist schon länger in meiner eigenen Ästhetik zentral, als Frage der Grenzen des Körpers, als Schrei nach dem Übermenschlichen oder posthumanistischen, als Versuch, sich von den begrenzenden Behauptungen der Körperlichkeit loszureißen.

Auf meiner vorletzten Lesung, der "Session Automatique", lief nebenbei ein Synthesizer, dessen elektronischer Rhythmus automatisch hin und her tickte. Zwischen einem Haiku und dem nächsten, quetschte ich improvisiert auf den Tasten Rum. Carsten Nicolai ist der selbe wie Alva Noto, als elektronischer Musiker ebenfalls bewandert und präsent. So kamen die Faktoren zusammen, um die elektromusikalische Seite der Performance auszubauen. Nicolo Sommer war als musikalischer Kontakt jemand, mit dem ich schon länger, schon seit jeher zusammenarbeiten wollte.

Gewissermaßen haben wir uns seit Schulzeiten stets gegenseitig wahrgenommen, als ich Comics in meinen Heften kritzelte und er Punk-Demos mit seiner Gitarre auf Kassetten aufnahm. Er hat sich über die Jahre viel stärker gerade in die elektronische Richtung entwickelt, in atmosphärische Klangwelten mit Nebelschweifen und kleinen, knisternden Maschinenleben.

Zusammen zu improvisieren war ein Experiment, in dem Elemente nicht nur geplant, sondern vor allem unerwartet miteinander resonierten. Signifikanten kamen zusammen, um sich von alleine, automatisch gegenseitig zu bezeichnen. Eine Automatisierung, die uns als Menschen als unperfektes Vehikel nutzt und hinterlässt.

An dieser Stelle gilt nochmal der Dank an Annkathrin Schwedhelm und Océane Gonet vom Untitled-Programm der Kunstsammlung Düsseldorf, sowie an die freundliche Crew des Ladens Bücher Ober.

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